Treeclimbers Kletterseite 

Ankerpunkte

"Jeder Arbeitsgang, der mit den Händen begonnen wird, muss zuvor im Kopf durchdacht und abgeschlossen sein."

(Bernhard Schütte, Diplomingenieur für Forstwissenschaft)

Klettern am Statikseil (Dehnung max. 5 %)

Eine Reihe von Kletterunfällen ist auf das Versagen der Ankerpunkte zurückzuführen.

Warum geschieht dies und was kann dagegen getan werden?

Als Ankerpunkt wird der höchste Punkt der Aufhängung bezeichnet, an der man (an seinem Klettergurt) befestigt ist. Klettert man über den Ankerpunkt hinaus besteht beim Sturz Verletzungsgefahr, da man immer ein Stück fallen wird bevor das Seilsytem einen auffängt. Dazu kommt, dass beim Baumklettern Statikseile eingesetzt werden, also Seile, die eine wesentlich geringere Dehnung aufweisen als dynamische Seile (Fangschutz), wie sie sonst im Klettersport eingesetzt werden. Statikseile nehmen beim Sturz weniger Energie auf.

In der Regel wird beim Baumklettern der Ankerpunkt immer über dem Kletterer gesetzt . Dadurch besteht nicht die Gefahr eines tiefen Sturzes und das Verletzungsrisko wird minimiert.

Im Unterschied zum Sportklettern wird also beim Baumklettern mit Statikseilen der professionelle Industrie- und Baumkletterer geklettert. Die Nutzung des Fangschutzes wird nicht notwendig da der  Ankerpunkt oberhalb des Kletterers gesetzt wird und Seile und Sicherungen stets straff gehalten werden.

Weiter Informationen zu unterschiedlichen Seilarten findet Ihr hier: Wikipedia

Aber zurück zu den Ankerpunkten. Welche Ankerpunkte gibt es?

Das Aufstiegsseil

Das erste Seil das in den Baum eingebaut wird bezeichnen wir als Aufstiegsseil. Dieses ermöglich es oft erst überhaupt in die Krone eines Baumes zu gelangen. Je nach Klettertechnik wird hier zwischen dem stehenden Einfachseil und dem stehenden Doppelseil unterschieden. Hier dienst oft eine kräftige Ast- oder Stammgabelung als Ankerpunkt.  Eine große Höhe dieses Ankerpunktes erspart oft mühsames Umbauen im Baum.

Die Kurzsicherung

Um mit wechselnden Sicherungen aufsteigen zu können bzw. eine stabile Arbeitsposition in Form eines Kräftedreiecks aufbauen zu können bedient sich der Kletterer einer Kurzsicherung. Der Ankerpunkt ist auch hier eine tragfähige
Stamm- oder Astgabelung.

Bei den Arbeiten im Außenbereich der Krone dient als Ankerpunkt ein möglichst tragfähiger Ast. Wegen der verfügbaren Seillänge und zur besseren Stabilisierung erfolgt der Einbau in unmittelbarer Nähe des Kletterers. Das Kletterseil und die Kurzsicherung stehen in einem Winkel zueinander, der ein stabiles Kräftedreieck ermöglicht.

Versagen des Ankerpunktes

Welche Gründe führen nun zum Versagen der beschriebenen Ankerpunkte?

1. Tragfähigkeit

Die grundlegende Gefahr besteht in einer falschen Beurteilung der Tragfähigkeit des Ankerpunktes. Hierfür kann es verschiendene Ursachen geben. Zum einen ist der Ankerpunkt aufgrund der Höhe bzw. der Belaubung des Baumes oder Gegenlicht schwer einzusehen.

Es besteht die Gefahr,

  • dass der Ankerpunkt wurde an einem Totast angebracht wird,
  • dass der Ast zu schwach für die jeweilige Holzart ist
  • oder dass statisch relevante Schäden unterhalb des Ankerpunktes bestehen.

Bei Einsatz einer Kurzsicherung können in Unkenntnis der Tragfähigkeit des ausgewählten Astes die gleichen Fehler begangen werden. Die Sicherung erfolgt an Totholz oder einem bezogen auf die jeweilige Holzart zu schwachen Ast.

2. Lastwinkel

Neben der Tragfähigkeit ist der Lastwinkel eine weitere Voraussetzung für einen stabilen Seileinbau. Welche Fehler können hier gemacht werden?

Das Holz am Ankerpunkt wird hierbei quer zur Faserrichtung belastet. Das Aufstiegsseil wird an zu dünnen waagerechten
Ästen oder an waagerechten Ästen zu weit außen eingebaut. Auch kann der Ankerpunkt beim Klettern nach außen rutschen

3. Fangstoß

Ein vorübergehend entlasteter Ankerpunkt wird ruckartig mit großer Kraft belastet.

Wodurch kann dies geschehen?

Ein ruckartiges Be- und Entlasten des Aufstiegsseils beim Aufstieg anstatt fließender Bewegungen.

Ein sich ins Seil oder die Kurzsicherung "fallen lassen", gewollt oder ungewollt, führt zu enormen Kräften, die unter Umständen ein Versagen des Ankerpunktes begründen.

Eine Zwischensicherung löst sich allein oder wird vom Kletterer derart gelöst, dass das Seilsystem ruckartig belastet wird.

Die Füße verlieren ihren Halt, es folgt ein Sturz in eine durchhängende Kurzsicherung.

Wie kann man das Versagen von Ankerpunkten verhindern?

  • Schäden am Baum und die Holzart bewerten, um Ort und Stärke des Ankerpunktes für das Aufstiegsseil und die jeweilige Aufstiegstechnik (Einfachseil/Doppelseil) zu bestimmen.
  • Schlecht einsehbare Ankerpunkte, insbesondere an belaubten Bäumen, müssen aus unterschiedlichen Blickwinkeln ggf. unter Verwendung eines Fernglases geprüft werden. Gibt die Sichtprüfung keine Klarheit, muss neu geworfen und eventuell tiefer geankert werden. Dieser Hinweis geht vor allem an die Benutzer einer Bigshot, da hier das Seil oft sehr hoch eingebaut wird und der Ankerpunkt oft aus Gründen der Entfernung nicht mehr genau untersucht werden kann.
  • Während des Aufstiegs wird der Baum weiter auf  relevante Schäden untersucht.
  • Die Belastung des Ankerpunktes sollte möglichst längs zur Ausrichtung der Holzfasern erfolgen.
  • Für das Klettern im Außenbereich der Krone wird nicht der Ankerpunkt nach außen verlegt, sondern mit Umlenkungen
  • oder einem zusätzlichen Ankerpunkt gearbeitet.
  • Der Kletterer muss auf permanent straffe Seilführung achten.
  • In der Arbeitsposition müssen Kurzsicherung und Kletterseil belastet sein und die Füße einen möglichst guten Stand haben, um ein wirksames Kräftedreieck zu bilden.
  • Die Kurzsicherung sollte (auch) im Außenbereich der Krone immer um den tragfähigsten der erreichbaren Äste gelegt werden.



 

 

 

 

© Ulf Steinert, Treeclimbers Kletterseite

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